Aus dem Rostocker Journal

Experte Dr. Marcus Dapp über Lizenzierung immaterieller Güter

Wie nachhaltig ist die Ressource ›Wissen‹?

Montag, 24.01.2011 09:00



Foto: Heiko Hoffmann ludner.com (Lizenz CC-BY-SA)

[Rostock] KRÖPELINER-TOR-VORSTADT. Vom 17. bis 21. Januar fand an der Universität Rostock zum ersten Mal die Veranstaltungsserie ›Nachhaltigkeitswoche‹ statt. Dazu hatten verschiedene Hochschulgruppen in Kooperation mit dem Allgemeinen Studentenausschuss (AStA) der Universität Rostock geladen. Referenten aus dem gesamten Bundesgebiet wurden eingeladen um Studenten und Besuchern einen Einblick in unterschiedliche Facetten des Themenkomplexes Nachhaltigkeit zu gewähren. 

Neben Vorträgen zu Ressourcenknappheit und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit hielt am Dienstag auch Dr. Marcus M. Dapp, Dozent an der ETH Zürich und IT-Stratege der Stadt München, einen Vortrag zu »digitaler Nachhaltigkeit«. Adäquat zu materiellen Gütern und dem mit ihnen verbundenen Verteilungsproblem sowie der Ressourcenknappheit, erläuterte er, welche Schwierigkeiten bei immateriellen Gütern auftreten.

Einen besonderen Schwerpunkt legte er dabei auf die Ressource ›Wissen‹, die nicht verbraucht sondern bei deren Nutzung vermehrt wird. Da Wissen sich genauso wie andere Immaterialgüter (beispielsweise Erfindungen oder Kulturwerke) nicht durch die Vervielfältigung oder die Reproduktion monetarisieren lässt, werden Immaterialgüter in der Regel durch Zugangsbeschränkungen wie Lizenzen künstlich verknappt.

Durch die Trennung der Information (zum Beispiel der Musik) von ihrem Trägern (wie zum Beispiel der CD) und die Verwendung von digitalen Kommunikationskanälen wie dem Internet sind jedoch die Kosten für die Verbreitung von einmal zusammengestellten Informationen zu vernachlässigen. Die künstliche Verknappung führe laut Dr. Dapp prinzipiell erst einmal zu einer unnötigen Beschränkung.

Dr. Dapp stellte nach dieser Einführung verschiedene Konzepte vor, wie der Zugang zu Informationen und Wissen freier gestaltet werden kann. Als Ursprung und Kern dieser Konzepte führte er die »Electronic Frontier Foundation« (EFF) an, die sich seit ihrer Gründung mit der Förderung von freier und Open-Source Software beschäftigt. Sie schuf so die Grundlage, um das frei verfügbare Wissen mit möglichst niedrigen technischen und finanziellen Hürden nutzen und weiterverbreiten zu können.

Der gleichen Idee folgend haben sich viele ideell ähnliche Projekte entwickelt. Zu diesen zählen unter anderem das Lizenzmodell ›Creative Commons‹, welches die freie Verbreitung von Kultur und Wissensgütern fördert. Die CreativeCommons-Lizenz geht, anders als herkömmliche Lizenzmodelle, davon aus, dass das lizensierte Werk eine möglichst weite Verbreitung erfahren soll. Abstufend kann der Author oder Künster dann selbst sehr einfach festlegen, unter welchen Einschränkungen diese Verbreitung erfolgen kann. Von »den Namen des Erschaffers nennen« bis hin zu »keine Veränderung, sowie keine kommerzielle Nutzung und Verbreitung unter gleichen Bedingungen« geht die Bandbreite der möglichen Abstufungen.

Diese einfache und offene Lizensierung bildet die Grundlage für Projekte wie die freie Enzyklopädie »Wikipedia« oder Musikportale wie »jamendo.com«, auf denen Künstler Musik ihren Hörern frei zur Verfügung stellen. 

Als IT-Stratege der Stadt München beschäftigt sich Dr. Dapp momentan vor allem mit den Konzepten »Open Data« und »Open Government«.

OpenData verfolgt dabei die Idee, Daten aus staatlichen Stellen der Allgemeinheit frei zur Verfügung zu stellen. Dies ermöglicht den Aufbau von neuen und interessanten Projekten wie zum Beipsiel http://bund.offenerhaushalt.de/, welches den Bundeshaushalt visuell aufbereitet.

Am kommenden Freitag startete in München das Projekt MOGdy unter der Leitung von Dr. Dapp, bei dem verschiedene Daten der Stadt zum ersten Mal frei im Internet zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig wurde ein Wettbewerb ausgerufen, um für diese Daten neue und kreative Anwendungsmöglichkeiten zu finden. An der Ideenfindungsphase beteiligten sich über 300 Interessenten aus ganz Deutschland, die über 100 Vorschläge einreichten, kommentierten und bearbeiteten. Es ist das erste Mal, dass ein solches Projekt in Deutschland durchgeführt wird und man darf gespannt sein, welche neuen Nutzungsmöglichkeiten in diesem Rahmen entstehen werden. 

Johannes Loepelmann und Marcus Sümnick

Dieser Beitrag steht seit dem 7. Februar 2011 unter Creative-Commons-Lizenz (CC BY-NC-ND). Er darf unter Angabe der Quelle Rostocker Journal (bei Online-Medien Verlinkung zu www.rostockerjournal.de) weiterveröffentlicht werden.

Nach dem JMStV-Hype

Auch nachdem der JMStV-Online-Medienrummel vom Thema Wikileaks abgelöst wurde, möchte ich mir doch die Zeit nehmen, hier ein paar Worte zur Altersklassifizierung zu verlieren.

Darüber, dass dieser Staatsvertrag ein schlechtes Mittel zur Erreichung des erklärten Jugendschutz-Ziels ist und darüber, dass die Regelungen für ein unnötig hohes Maß an Unsicherheit bei alljeden sorgen, die Inhalte online veröffentlichen, herrscht in Blogosphäre und Juristerei ein weitgehender Konsens. Zu Recht.

Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia hat eine synoptische Übersicht zum Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien in der Fassung nach 13. RÄStV und 14. RÄStV auf ihrer Website veröffentlicht.

Ob der Staatsvertrag bis Ende des Jahres von allen Bundesländern ratifiziert sein wird, steht mittlerweile kaum noch in Frage. Zum Stand der Ratifizierung gibt es eine detaillierte Tabelle von Jörg-Olaf Schäfers.

Die folgende unter der Creative Commons Lizenz BY-SA veröffentlichte Infografik von Thomas Schwenke und Simon Möller verschafft einen guten Überblick zu den Folgen des JMStV für Inhalteanbieter:

Abbildung: Infografik zum JMStV, Simon Möller / Telemedicus http://telemedicus.info, Thomas Schwenke / Schwenke & Dramburg Rechtsanwälte http://spreerecht.de, veröffentlicht unter der Creative Commons Lizenz BY-SA. Dieser Artikel steht unter einer mit der Lizenz der Abbildung kompatiblen CC Lizenz.

Ich finde darüber hinaus bemerkenswert: Wer ein Interesse daran hat, dass die eigene Website auch durch Kinder oder Jugendliche angezeigt werden kann, die an Rechnern sitzen, auf denen nach deutschen Vorgaben programmierte Jugendschutzprogramme installiert wurden, muss wohl zukünftig eine nach noch festzulegenden Vorgaben aufgebaute XML-Datei (age-de.xml) mit der Standard-Altersvorgabe im Root-Ordner ablegen. Zudem sind dann wohl alle Artikel, die von dieser Default-Vorgabe abweichen, mit einer Alterskennzeichnung in den HTML-Kopfdaten zu versehen.
Informationen zum technischen Entwicklungsstand sind auf den Seiten des Online Management Kontors zu finden.

Ich frage mich: Müsste so etwas nicht eigentlich global auf W3C-Ebene definiert werden? Da gab es vor langer Zeit doch schon mal einen Ansatz namens PICS (Platform for Internet Content Selection). Ist das Projekt tot?

Anfang 2011 sollen bei den Freiwilligen Selbstkontrollen Online-Dienste zur Selbstklassifizierung bereit stehen. Ich bin gespannt.