Der Blick auf vernebelte Häuserfronten

Fortsetzung meiner Notizen zur Google-Diskussion „Ungestillter Datenhunger, ungeliebter Datenschutz“ am 18.01.2011 im Bremer Rathaus (siehe auch: Teil 1).
Auch Google Street View stand auf der Liste. Klöker moderierte an: Macht die Vernebelung bzw. Verpixelung von ganzen Straßenzügen den Dienst für Google Deutschland uninteressant?

Meyerdierks: Street View ist für Google Deutschland sicherlich nicht uninteressant, sonst hätten wir uns auch nicht die Mühe gemacht, das Produkt trotz der Widerstände auf den Markt zu bringen. Street View wird von Anfang an (auch bevor deutsche Städte dabei waren) von Deutschland aus intensiv genutzt. Interessant ist, dass einige Nutzer aus anderen Ländern bei Google angefragt haben sollen, warum denn Deutschland so anders aussieht als andere europäische Länder.

Dr. Sommer: Alles in allem ist das für Google Deutschland wohl jetzt schon eine ganz erfolgreiche Geschichte. Beachtenswert ist, dass das wohl der erste und vielleicht letzte Anwendungsfall eines Vorab-Widerspruchs dieser Art in Deutschland war.
Microsoft (mit bing Maps) war wohl etwas unvorsichtig mit der schnellen Zusage, all das einzuhalten was zwischen Google und den Datenschützern vereinbart wird. Für andere Anbieter solcher Geo-Dienste entstehen durch den 13-Punkte-Plan keine Verpflichtungen.

(Kleiner Exkurs: Das Dokument mit den 13 Zusagen von Google zu Street View an den Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit ist derzeit nicht mehr im Internetangebot des LfDI FHH abrufbar, da dieses aus Datenschutzgründen durch den LfDI offline gestellt wurde. Exkurs: Beim Aufruf von Zählpixeln der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. – IVW – werden IP-Adressen an den von der IVW beauftragten Dienstleister INFOnline übertragen. Dort werden zwar ausschließlich aggregierte Daten weiterverarbeitet, der LfDI hat aber offenbar Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Speicherung der IP-Adressen zum Zweck der Aggregation. Kompliziert.)

Sommer bedauert, dass es eine gesetzliche Klarstellung nicht geben wird. Die Länder hatten sich zwar Mitte 2010 im Bundesrat auf einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes geeinigt. Das Gesetzesvorhaben ist allerdings vom Bundeskabinett nicht weiterverfolgt worden.
Allerdings haben sich die wichtigsten Anbieter von Geodatendiensten auf eine Selbstverpflichtung geeinigt, formuliert unter Federführung des Verbands BITKOM.

Klöker: Warum hat sich Google auf Verhandlungen eingelassen?
Meyerdierks: Im Grunde wollten wir Street View einfach so einführen wie in anderen europäischen Ländern. Nun entstand aber in Deutschland ein intensiver öffentlicher Druck auf uns. In der Hoffnung auf mehr Planungssicherheit und Ruhe bei der Produkteinführung haben wir uns für ausführlichere Gespräche mit den Datenschutzbehörden im Vorfeld entschieden. Trotz der schon im April vereinbarten Schritte kam es dann immer Sommer noch zu einer breiten öffentlichen Diskussion.
Fassadenansichten sind öffentlich zugängliche Informationen und sollten es auch bleiben. Wenn man jemandem das Recht abspricht, Straßenpanora-Aufnahmen zu verbreiten, spricht man sich auch selber das Recht ab Panoramafotos aus dem Urlaub ins Netz zu stellen. Es gibt heute schon Widersprüche gegen nutzergenerierte Fotos. (Hat das mit der Aktion „Verschollene Häuser“ zu tun?)

Sommer: Warum hat Google den gewaltigen Aufwand mit dem Vorab-Widerspruch betrieben?
Meyerdierks: Der Aufwand war tatsächlich groß, er überstieg den Aufwand zur Herstellung des Produkte um ein Vielfaches. Es gab etwa 200 Leute, die nur damit beschäftigt waren, Widersprüche zu bearbeiten. Ein mittelständisches Unternehmen hätte so etwas nicht leisten können. Übrigens müssen wir Personen, die ihren Widerspruch jetzt zurücknehmen wollen enttäuschen, da wir auch die Rohdaten gelöscht haben.

Video: Google über Datenschutz bei Street View

Sommer: Spätestens wenn in Street View Werbung geschaltet wird, sollte sich das Geld wieder hereinholen lassen. [Meyerdierks lächelt vielsagend. Ich frage mich, ob nicht vielleicht sogar verpixelte Häuserfronten für Werbebanner besonders gut geeignet sind?]

In Kürze mehr zu: Geodaten, Open Data und Informationsfreiheit

N78 im Testmodus

Im Urlaub stand bei mir nach langer Zeit wieder eine Mobiltelefon-Neubeschaffung auf der Liste. Nach einigem Hin und Her und etwas Recherche habe ich mich ein weiteres Mal vor der Entscheidung zwischen iPhone und Android-Gerät gedrückt. In alter Verbundenheit zu Symbian (SE P900) habe ich mich für ein günstiges „Kann-alles“-Gerät ohne Sim-Lock entschieden: das Nokia N78. Ein mittelgroßes Barren-Telefon mit brauchbarem Display, GPS, UKW-Sender, nicht allzu schlechter 3,2-MP-Kamera und microSDHC-Speichererweiterung. Ohne teure Äpfel mit Birnen vergleichen zu wollen: ausstattungsmäßig steht das kleine Smartphone gut da.
Nach ein-zwei Wochen Gebrauch ist wohl der richtige Zeitpunkt, um gegenüberzustellen, was ich vom N78 erwartet habe und was davon sich in der Praxis bewahrheitet hat.
Nokia N78 im Testmodus
Ja, es ist – wie erhofft – ein Gerät, um den iPod touch unterwegs ins Internet zu bekommen (mit Joikuspot Premium).
Ich habe Zugang zu einem weiteren mittelgroßen App Store für ein Betriebssystem mit breiter Nutzerbasis (Symbian S60 Edition 3).
Zudem habe ich eine brauchbare unkomplizierte Immer-Dabei-Kamera.
Das N78 ist auch ein nettes GPS-Spielzeug, das sich zur Navigation (Ovi Karten 3.03 läuft allerdings noch nicht) und (auf Umwegen) auch für Dienste wie Foursquare – über den empfehlenswerten S60 Twitter-Client Gravity – und Gowalla – über den Browser Opera Mobile 10.1 beta – nutzen lässt.
Positiv zu erwähnen ist vielleicht noch die reibungslose Bluetooth-Synchronisation über iSync. Schön ist auch der kleine FM-Transmitter, der sich schon im Auto bewährt hat.
Schließlich funktioniert das N78 auch als Telefon (wenn auch nicht überragend).
Zum Schluss noch kurz zu all dem, was weniger vergnüglich war: Die Benutzeroberfläche halte ich für umständlich zu bedienen und unaufgeräumt (ich bin iOS 4 gewohnt). Einen Sonderpreis erhält in diesem Zusammenhang die Ovi Store App, die das Programm „Laden!“ ersetzen sollte. Nachdem ich sie auf dem N78 installiert hatte, ließ sich fast keine Anwendung aufspielen. Ständig kam es zu Zertifikatsfehlern und Installationsabbrüchen ohne aussagekräftige Fehlermeldungen, selbst bei Apps von Nokia. Der Nokia-Support riet mir zur Wiederherstellung des Werkszustands (brachte keine Verbesserung) und einer Neuinstallation (ebenso). Erst seit bei einer weiteren Neuinstallation durch einen glücklichen Zufall die Ausführung des Ovi-Store-App abgebrochen wurde und ich testweise einige Apps direkt über den Internetbrowser installiert habe, laufen Softwareinstallationen ohne Probleme. Über die begrenzte Auswahl an spannenden aktuellen Anwendungen im Store werde ich mich jetzt nicht auch noch beschweren, ich wusste ja, dass ich mit Symbian S60 auf eine Sackgassen-Plattform setze.
Ach, vielleicht noch ein Fazit: Enttäuscht bin ich nicht. In der zweistelligen Preisklasse ist das N78 wohl eins der besten Geräte am Markt.