Nach dem JMStV-Hype

Auch nachdem der JMStV-Online-Medienrummel vom Thema Wikileaks abgelöst wurde, möchte ich mir doch die Zeit nehmen, hier ein paar Worte zur Altersklassifizierung zu verlieren.

Darüber, dass dieser Staatsvertrag ein schlechtes Mittel zur Erreichung des erklärten Jugendschutz-Ziels ist und darüber, dass die Regelungen für ein unnötig hohes Maß an Unsicherheit bei alljeden sorgen, die Inhalte online veröffentlichen, herrscht in Blogosphäre und Juristerei ein weitgehender Konsens. Zu Recht.

Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia hat eine synoptische Übersicht zum Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien in der Fassung nach 13. RÄStV und 14. RÄStV auf ihrer Website veröffentlicht.

Ob der Staatsvertrag bis Ende des Jahres von allen Bundesländern ratifiziert sein wird, steht mittlerweile kaum noch in Frage. Zum Stand der Ratifizierung gibt es eine detaillierte Tabelle von Jörg-Olaf Schäfers.

Die folgende unter der Creative Commons Lizenz BY-SA veröffentlichte Infografik von Thomas Schwenke und Simon Möller verschafft einen guten Überblick zu den Folgen des JMStV für Inhalteanbieter:

Abbildung: Infografik zum JMStV, Simon Möller / Telemedicus http://telemedicus.info, Thomas Schwenke / Schwenke & Dramburg Rechtsanwälte http://spreerecht.de, veröffentlicht unter der Creative Commons Lizenz BY-SA. Dieser Artikel steht unter einer mit der Lizenz der Abbildung kompatiblen CC Lizenz.

Ich finde darüber hinaus bemerkenswert: Wer ein Interesse daran hat, dass die eigene Website auch durch Kinder oder Jugendliche angezeigt werden kann, die an Rechnern sitzen, auf denen nach deutschen Vorgaben programmierte Jugendschutzprogramme installiert wurden, muss wohl zukünftig eine nach noch festzulegenden Vorgaben aufgebaute XML-Datei (age-de.xml) mit der Standard-Altersvorgabe im Root-Ordner ablegen. Zudem sind dann wohl alle Artikel, die von dieser Default-Vorgabe abweichen, mit einer Alterskennzeichnung in den HTML-Kopfdaten zu versehen.
Informationen zum technischen Entwicklungsstand sind auf den Seiten des Online Management Kontors zu finden.

Ich frage mich: Müsste so etwas nicht eigentlich global auf W3C-Ebene definiert werden? Da gab es vor langer Zeit doch schon mal einen Ansatz namens PICS (Platform for Internet Content Selection). Ist das Projekt tot?

Anfang 2011 sollen bei den Freiwilligen Selbstkontrollen Online-Dienste zur Selbstklassifizierung bereit stehen. Ich bin gespannt.

Freie Daten von Non-Profit-Organisationen

Behörden sehen sich zunehmend einer Forderung nach offener Bereitstellung von Daten gegenübergestellt. Der Wunsch, so viele Daten wie möglich so offen wie möglich zu erhalten, kann auch an gemeinnützige Organisationen (Non-Profit-Organisationen) gerichtet werden.

In ihrem Blog Nonprofits-vernetzt.de hat Dr. Brigitte Reiser heute einen lesenswerten Beitrag unter den Titel „Open Data und der gemeinnützige Sektor“ veröffentlicht, der in diese Richtung weist.

In ihrem Beitrag lässt Sie auch Lucy Bernholz (Blueprint Research & Design) zu Wort kommen, die im März 2010 eine Reihe von Forderungen zum offenen Datenaustausch im Nonprofit-Sektor zu einem Manifest zusammengestellt hat.

Die Forderungen sind nachvollziehbar und nahezu durchgängig unterstützenswert.
Selbstverständlich gerät die Datenbefreiung schnell auch an Grenzen, zu nennen sind insbesondere Rechte Dritter und Datenschutz.

Nichtsdestoweniger sollten gemeinnützige Organisationen, die ja von Bürgerinnen und Bürgern unterstützt werden und auch weiterhin unterstützt werden wollen, auf ein möglichst hohes Maß an Transparenz hinwirken (siehe hierzu etwa spenden.de).

Rohdaten sollten nicht als Immaterialgut gehortet werden, sondern nach Klärung der Rechte und gegebenenfalls notwendigen Anonymisierungsmaßnahmen (etwa Aggregation) für andere Organisationen und Einzelpersonen zur Verfügung gestellt werden.

Dort wo staatliche Stellen fördernd eingreifen, sollten sie darauf Wert legen, dass mit öffentlichen Geldern gesammelte Daten nicht allein der geförderten Stelle gehören, sondern unter freien Lizenzen veröffentlicht werden.

Der offene Datenaustausch zwischen gemeinnützigen Akteuren ist meiner Meinung nach auf drei Ebenen wünschenswert: (1) Software, (2) Werke, (3) Datenbanken. Auf jeder der drei Ebenen gibt es eine besondere Ausprägung freier Lizenzen. Die ersten zwei werden vereinfachend mit einer Person in Verbindung gebracht: (1) für freie Software steht Richard Stallman mit GNU, (2) für Werke (Kulturvernetzung) steht Lawrence Lessig mit den Creative Commons Lizenzen.
Mittlerweile gibt auch passende freie Lizenzen für (3) Datensätze in Datenbanken. Auf Initiative der Open Knowledge Foundation (jetzt auch in Deutschland: http://okfn.de) sind die Open Database License (ODC-ODbL „Weitergabe unter gleichen Bedingungen“ und – als Entwurf – ODC-By „Namensnennung“) und die Public Domain Dedication and Licence (PDDL) entstanden (Miller / Styles / Heath: Open Data Commons, 2008).
Mit der PPDL wird versucht, Daten praktisch gemeinfrei zu machen. Das gleiche Ziel wird mit der Creative Commons Lizenz CC0 angestrebt. Inwieweit eine Kompatibilität solcher Public Domain Lizenzen mit dem deutschen Immaterialgüterrecht herzustellen ist, bleibt noch zu klären.

Wenn einmal befreite Daten (mit klaren Angaben zu den Nutzungsrechten) in gemeinsame Datenbestände aufgenommen werden, kann sich ein neuer Blick auf größere Zusammenhänge ergeben (schönes Beispiel: http://www.gapminder.org).
Ein bemerkenswerter Datenpool für offene Daten ist das CKAN (Comprehensive Knowledge Archive Network).